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"Trennung der 10- bis 14-Jährigen ist überholt"

01.04.2012 11:28
Ein Vertrag zwischen der Marktgemeinde Telfs, dem Landesschulrat für Tirol sowie den Gymnasien Telfs und Stams über die Schülerzahlen hat jüngst Anlass für schulpolitische Grundsatzdiskussionen auf Bundesebene gegeben. In folgendem Interview nimmt Bürgermeister Christian Härting (Bild) von der Liste "Wir für Telfs" – er ist Hauptschullehrer und ÖVP-Mitglied – dazu Stellung.
Wie sehen Sie es, dass Ihnen als Bürgermeister jetzt vorgeworfen wird, durch den Vertrag mit dem Landesschulrat die Bildungsfreiheit zu beschneiden und dass hier die Gemeinden zum "Buhmann" gemacht werden?
Härting:
Das Problem sind nicht die Gemeinden, es ist die unbefriedigende Situation, in der sie sich befinden. Die "große Politik" gibt uns Rahmenbedingungen vor, und wir in den Gemeinden müssen versuchen, damit zurechtzukommen – das geht dann nach dem Prinzip "Den Letzten beißen die Hunde". Zum Schulstandortvertrag: Natürlich wurde er nicht in der Absicht geschlossen, Kinder vom Gymnasiumbesuch auszuschließen. Als der Vertrag 2002 anlässlich der Einführung der Unterstufe in Telfs geschlossen wurde, stand die Sorge im Vordergrund, dass man für beide Standorte – Stams und Telfs – zu wenig Gymnasiasten haben könnte.

Sie sprechen von einer unbefriedigenden Situation....
Härting:
Wenn man schon eine "Neue Mittelschule" schafft, muss man ihr auch die Möglichkeit geben, dass sie überleben kann. Ich halte das zweigleisige Bildungssystem aber auch grundsätzlich für problematisch. Es verstärkt eine nicht mehr zeitgemäße Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Auswahlkriterien für den Eintritt ins Gymnasium werden immer angreifbar sein - seien es Zeugnisnoten oder andere Verfahren.

Heißt das, dass Sie für die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen sind?
Härting:
Wenn es sie gäbe, hätten wir diese Probleme nicht. Ich halte die schulische Trennung der 10- bis 14-Jährigen für überholt. Wir werden nicht darum herumkommen, in Richtung Gesamtschule zu gehen. In dieser Frage kann ich als Praktiker die Haltung vieler Parteikollegen der höheren Ebenen nicht verstehen. Aber es heißt ja, die Neue Mittelschule sei bereits eine Etappe auf dem Weg zur gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. Wollen wir hoffen, dass dieser Weg möglichst rasch und ohne weitere Umwege beschritten wird.

Wie soll es in Telfs mittelfristig weitergehen?
Härting:
Jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Solange wir dieses System haben, müssen auf jeden Fall Regelungen getroffen werden, dass es zu keiner Ausdünnung der Neuen Mittelschulen kommt – egal, ob mit oder ohne Standortvertrag.

Was wünschen Sie sich darüber hinaus von der "großen Politik"?
Härting:
Dass sie Entscheidungen fällt, die für diejenigen, die sie an der Basis ausführen sollen, auch praktikabel sind. Das gilt ja nicht nur in dieser einen konkreten Schulfrage, sondern auch in vielen anderen Bereichen. (sd/Foto: Dietrich)