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Flohmarkt-Fund öffnet Blick in die Vergangenheit

26.04.2019 22:56

Eine unscheinbare Truhe vom Flohmarkt in Telfs steht seit kurzem im Mittelpunkt einer Ausstellung im Südtiroler Landesmuseum auf Schloss Tirol bei Meran. Vor rund 80 Jahren wurden in der Kiste Habseligkeiten der Südtiroler Umsiedler-Familie Bruggnaller nach Nordtirol geschafft. Es ist ein symbolträchtiges Objekt, das an die dunkle Zeit erinnert, als das "Optionsabkommen" zwischen Hitler und Mussolini tausende Südtiroler zum Verlassen ihrer Heimat zwang.

„Vorsicht zerbrechlich“ steht auf der Kiste, ein weiterer Aufkleber teilt auf Italienisch mit, dass der Inhalt – wahrscheinlich Geschirr – „fragile“ war. Auch die vorgesehene Route der Fracht ist vermerkt: von „Bolzano“ nach Innsbruck. Außerdem ist zu lesen: „Auswanderergut“.

Vor drei Jahren kaufte Isabella Sterzinger die Truhe, die auf unbekannten Wegen auf den Flohmarkt im Telfs Park gelangt war. Die Telferin erkannte die historische Bedeutung des Fundstücks und schenkte es dem Südtiroler Landesmuseum – zur großen Freude von Direktor Leo Andergassen, denn die schlichte Kiste stellt ein ganz besonderes Erinnerungsstück dar, das die dramatischen Ereignisse rund um die Südtiroler-Umsiedlung „greifbar“ werden lässt. Nun, zum 80. Jahrestag der „Option“, ist das symbolträchtige Relikt als zentrales Objekt einer kleinen Ausstellung im „Turm der Erinnerungen“ auf Schloss Tirol zu sehen.

Rund um die Truhe wird in der Ausstellung auch die berührende Geschichte der Familie erzählt, der sie einst gehörte. Der Telfer Historiker Stefan Dietrich rekonstruierte das Schicksal von Josef Bruggnaller und seiner Frau Maria, die 1940 mit ihren sieben Kindern von Bozen nach Nordtirol übersiedelten. Bei der Erforschung des exemplarischen Optanten-Schicksals halfen Akten aus dem Tiroler Landesarchiv und Familienmitglieder, die noch in Innsbruck leben.

Was die Familie erlebte, schilderte Elisabeth Brenner, die heute 86-jährige Tochter von Josef und Maria Bruggnaller. Sie stellte für die Ausstellung auch Fotos zur Verfügung. Ihre Erzählungen und die amtlichen Schriftstücke machen klar, dass die Auswanderer in ihrer neuen Heimat keineswegs auf Rosen gebettet waren. Fast zwei Jahre verbrachten sie in Notunterkünften, so auch im großen Umsiedlerlager im Stift Stams.

Meist wohnte und lebte die ganze Familie in einem einzigen Raum. 1941 starb der gesundheitlich angeschlagene Vater im Alter von erst 39 Jahren, die Mutter stand mit ihrer großen Kinderschar allein da. Ende 1941 wurde der Familie eine Wohnung in den neuen Südtiroler-Bauten in Innsbruck-Pradl zugewiesen. Doch auch dieses Glück war nicht von langer Dauer: Bombenschäden zwangen sie, eine neue Notunterkunft zu suchen, die bei Bauern in Roppen gefunden wurde.

Doch es gab ein „happy end“: Der starke Zusammenhalt, für den vor allem die Mutter sorgte, ließ die kleine Schicksalsgemeinschaft schließlich alle Widrigkeiten überwinden. Alle Familienmitglieder fassten dauerhaft in ihrer neuen Heimat Fuß. Heute leben in Innsbruck noch drei der ehemals sieben Bruggnaller-Kinder und mehrere Nachkommen.

Die Recherchen über das Schicksal der Familie hat Stefan Dietrich in einem Aufsatz für den Ausstellungskatalog zusammengefasst. Wie der Telfer Historiker bei der Eröffnung unterstrich, betrachtet er diesen Beitrag und die Ausstellung auch als Denkanstoß mit Blick auf unseren heutigen Umgang mit Auswanderern und Flüchtlingen.

Die Ausstellung „Optionskoffer“ auf Schloss Tirol bei Meran ist noch bis zum 8. Dezember täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

www.schlosstirol.it


Im Bild: Hans und Isabella Sterzinger bei der Übergabe der in Telfs aufgetauchten „Options-Truhe“ an Leo Andergassen (r.), den Direktor des Südtiroler Landesmuseums auf Schloss Tirol bei Meran.

Bilder unten: Die Ausstellung "Optionskoffer" und historische Bilder der Familie Bruggnaller.

(Foto: Dietrich)